Jin & Maël — never forgive me, never forget me.

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Mael

-, Männlich

  Erstsemester

Dämon Dozent Fokus Politik Fokus Ethik A-Rank FSK 18

Beiträge: 7

Jin & Maël — never forgive me, never forget me.

von Mael am 30.04.2024 01:16


N E V E R   F O R G I V E   M E ,
N E V E R   F O R G E T   M E .
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JIN & MAËL




R O M,   1 5 7 8 . 

Wie eine Motte zur Flamme, zog es Maël zurück zu dem erstbesten Gotteshaus seiner neuen Heimat, obwohl es ihn so in den Horror in Saint-Étienne zurückwarf; der Dämon war sich seinem unerklärlichen Trieb, an Orte zurückzukehren, die ihn an seinen schmerzlichen Exorzismus erinnerten, durchaus bewusst. Doch die Vermeidung entzog sich ihm. Gleich, welche Straßen er in Rom zu erkunden versuchte, jeder Weg leitete ihn zurück auf die Fugen der nächstbesten Kirche oder Kapelle. Die untergehende Sonne küsste die bunten Fenster, schossen das Farbspiel auf Maëls weiße Haut; es zeichnete sich wie ein Brandmal auf seinen Wangen, der Spott des menschengemachten Gottes. Dennoch trugen seine Füße ihn die Treppe hinauf und über die Schwelle, erneut infiltrierte das Wesen der Hölle das Heiligtum der Menschen. Diesmal als stiller Beobachter, er hatte gelernt.
Jede Bewegung hallte im Echo durch die großzügige Kirche, jeder Schritt unter seinen Schuhen, jedes gemurmelte Gebet der Gläubigen, gar jeder Tropfen Wachs der entzündeten Kerzen. Maël schlenderte entlang der Kerzenständer, und drückte willkürlich einige der flackernden Flammen mit Daumen und Zeigefinger aus. Was für ein alberner Brauch — der treibende Grund für diese ehrbaren Rituale war das Gefühl der Reue, nicht der Liebe. Reue über die limitierte Zeit, über emotionale Reaktionen. Schuldgefühle. Die Philosophien der Menschheit — das religiöse Getue des guten Menschen — bauten auf der Unmöglichkeit der Perfektion auf. Was für ein ehrloses, lachhaftes Volk. Dass er sich von diesem Pack hatte überwältigen lassen trieb ihm die rote Farbe des Ärgers auf die Wangenknochen. Gedankenverloren strichen seine Finger über die Narbe, die sich durch sein nun blindes Auge zog, die raue Kerbe seiner Niederlage. Ehrloses, respektloses——Wie konnte ein Dämon seines Alters und seiner Mächte solch Narben tragen, die ein einzelner, unerfahrener Exorzist ihm auferlegt hatten? Wie hatte er es erlauben können, dass man seine Seele zerteilt hatte? Würde er sich nicht in Scham und Schande wälzen, so hätte er sich bereits mit einem anderen Dämon verbunden das ganze Dorf in die Hölle geschickt. Aber mehr noch als seine zerrüttelte Seele schmerzte ihn sein verletzter Stolz.
Übrig geblieben war ihm nichts außer die Flucht. Aus der Befürchtung, dass nicht nur sein Wahlheimatdorf ihm an die Gurgel wollte, sondern sich die Skandale über die Anwesenheit eines übernatürlichen Wesens schnell durch die französische Landschaft ziehen würden, hatte er das Land verlassen. Während seiner Emigration hatte es ihn bereits zurück in die Hände der Religion getrieben — welch Ironie, dass er sich das Land ausgesucht hatte, das den Vatikan umgab. Seine verhasste Kirche und dessen blindlinke Folglinge. Während seiner Reise offenbarten sich erst die Ausmaße von seinem gespaltenen Wesen. Plötzlich wurden seine Berührungen zum Todbringer, stahlen die Seelen der Menschen, lähmten sie. Das erste Mal, als die leblosen Augen seines willkürlichen Opfers in sein gebliebenes starrten, nistete sich der Schock über seine neuen Konditionen in sein Knochenmark. Aber die Furcht wurde ersetzt durch Opportunismus. Sadistische Freude am Leid der Art, die seinen eigenen Leidensweg für ihn gepflastert hatte, verdrängten seine Schuldgefühle. Seine Reise von Frankreich nach Bella Italia war verdorben durch eine Spur von hinterlassenen, seelenlosen oder verwesenden Körpern im Akt seiner Rache. Für Maël war das Hoch der Vergeltung eine zeitweilige Befriedigung, um sein eigenes Gemüt zu stillen. Der Umgang mit weltlichem Schmerz war ihm fremd, so fremd wie ihm sein eigenes Seelenleben erschien, verwüstet und imperfekt wie es nun war. Wie ein Tier, das sich an seinen neuen Platz in der Nahrungskette herantasten musste.
Mühevoll hatte er sich wieder eingefangen, und die Wochen seines eigenhändigen Kleinkrieges gegen die Seelen und Leben der Menschen, die vom Pech verfolgt auf Maël getroffen waren, fanden mit seiner Ankunft in Rom ihr Ende. Der Bedarf nach Anonymität war dem Dämon nicht unbekannt; systematisch hatte er seine Spuren verwischt, indem er Fährten mit weiteren seelenlosen Körpern legte, die in andere Städte und Länder führten. Sollte ein übereifriger Mensch seine Spuren verfolgen, so wäre er in der Lage, diesen damit zu trügen — andere Gefahren waren kamen Maël gar nicht erst in den Sinn. Fixiert war er nur auf die Menschheit, die er seit seinem Exorzismus als die alleinigen Feinde betrachtete. Die schwächste Rasse unter all den Wesen, die die Erde wandelten, und dennoch die einzige mit der Errungenschaft, dem Dämon solche Pein zu ermöglichen. Seine Bitterkeit saß tief verankert in ihm, sprudelte tief in ihm als er in das Gesicht des predigenden Priesters blickte. Einige Phrasen konnte er, trotz seines noch sehr dünnen Vokabelumfang des Italienischen, auffassen und verstehen, doch war das Erlangen einer weiteren romanischen Sprache keine Priorität des Dämons. Doch die heiligen Schriften könnte er noch immer im Schlaf zitieren. Verständnis hatte er jedoch nie erlangt. Nie wirklich. Sobald er sich hier richtig eingenistete hatte — und sobald er sichergehen konnte, dass ihm hier keine Gefahr drohte — würde er sich Kultur und Sprache aneignen. Vielleicht einen neuen Namen...
Uninteressiert an den Predigten der menschlichen Religion, die in ihm die Wut kochen ließen, floh er aus der Kirche. Das Gelände verließ er nicht; seine Hände kribbelten mit dem Drang nach Missetat. Mit dem Blick auf die offenen Türen gerichtet, ließ der Dämon sich auf einer der Bänke vor der Kirche nieder. Das Abbild des Priesters tanzte vor seinen Augen; er trug die gleiche Robe, die Maël damals selbst bekleidet hatte — die sein Exorzist mit dessen tragen ruiniert hatte. Trotz all seiner Mühen, seine Spuren zu verwischen, lechzte sein Herz nach dem großen Finale seiner Rache.

M Y   L O V E   I S   H E L L F I R E .
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give me love; a vague, ill love     a mad one. the heat of my love shot up too much;
everything is fusing under my feet, until i can see all the way to the depths of hell.
listen,          i want to touch you, but then i'd send you up in flames.

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Jin

-, Männlich

  Viertsemester

Dämon Student Fokus Wesenkunde Fokus Abwehrmagie A-Rank Meme Master Erstsemester FSK 18

Beiträge: 209

Re: Jin & Maël — never forgive me, never forget me.

von Jin am 08.05.2024 15:43

Er hatte ihn über Stadt- und Landgrenzen gejagt, auf Leichenfährten, welche immer und immer wieder ins Nichts geführt hatten. Ein Cul-de-Sac aus seelenlosen Körpern.

Der Rabe breitete seine Schwingen aus und segelte in einem ruhigen Flug über die Dächer der Stadt. Rom bei Sonnenuntergang hatte eine ganz besondere Atmosphäre, in der die Säulen längst vergangener Zeiten den roten Himmel durchstachen und die kalten Gesichtszüge der steinernen Heiligen von einem Kupferschein gewärmt wurden.
Ein Zerfallenes Imperium, dessen heiliges Zentrum trotz des Niedergangs noch immer die Zeichen seiner früheren Stärke trug. Eine blühende Stadt.
Als ein Mann vor der Treppe einer mächtigen Kirche zum stehen kam, zog der Rabe mit aufgeregten Flügelschlägen einen Kreis um das Dach des Gebäudes, ehe er auf den wulstigen Ästen einer Pinie landete und darauf wartete, dass sein Zielobjekt die Kirche betrat.
Trotz all dem was passiert war, schien es ihn immer wieder zurück an die Anbetungsstätten der Menschheit zu ziehen – ein wirklich außergewöhnliches Laster für einen Dämon.
Die kleinen schwarzen Augen des Raben folgten den Schritten des dunkelhaarigen Mannes, bis dieser endlich die Tür durchschritt.
Den ganzen Nachmittag war er ihm bereits gefolgt, doch bis jetzt hatte es keine passende Gelegenheit für eine zufällige Begegnung ergeben. Nun sah es jedoch ganz danach aus, dass der geeignete Moment bald eintreffen würde.
Der Rabe stieß sich von dem Ast ab, auf dem er zuvor gesessen hatte und ließ sich mit langen Flügelschlägen zu Boden gleiten, doch anstelle von Krallen berührten schwarze Ledersolen den staubigen Pflasterstein. Federn verschmolzen zu Stoff und Haut, Flügel zu Armen und der Schnabel zu einem triumphierenden Lächeln. Jin trat mit federnden Schritt aus dem mangelhaften Schutz der Piene hervor, ehe er sich ausgiebig streckte. Hätte jemand seine Verwandlung beobachtet, so wäre es ihm vorgekommen, als wäre der kleine Schwarze Vogel plötzlich zu einem jungen Mann mit weichen Gesichtszügen, dunklen Locken und braune Augen mit einem so milden Rotstich, dass er im Licht der untergehenden Sonne für eine bloße Reflektion gehalten werden konnte, herangewachsen.
Für einige Sekunden schloss der Dämon die Augen. Er hatte die Gestalt des Raben seit vielen Tagen nicht abgelegt und so bedurfte die Perspektive, aus der er nun seine Umgebung betrachtete ein wenig Eingewöhnung. Jin straffte seine Schultern, die wenige Augenblicke zuvor noch in schwarzen Schwingen anstelle luftiger Leinenärmel gemündet waren. Nur die feine Sigille, welche Oberhalb seines Hüftknochens endete und ihm in einer Dimension in die Haut gebrannt worden war, in welcher das Feuer kälter als jedes Eis loderte, hatte die Transformation begleitet. Eine ständige Erinnerung daran, dass seine Entität in den Händen eines höheren Wesens lag.
Die Tür ging auf und Jin richtete den Blick auf einen gebrechlich aussehenden Greis, welcher mit mühseligen Schritten das Gotteshaus verließ. Nein, das war nicht der Mann, auf den er wartete. Der Blick des Dämons blieb noch wenige Sekunden auf der gekrümmten Gestalt des Alten liegen, ehe er sein Gesicht wieder abwandte.
Als er über die weiten Felder welche diese Stadt umringten geflogen war, hatte er in seinen Schwingen einen Vorgeschmack der Freiheit gespürt, welche ihm nach Erfüllung seins Auftrags versprochen worden war und so flatterte sein Herz in einer aufgeregten Vorfreude auf die kurz bevorstehende Entlassung aus jahrzehntelanger Knechtschaft. Dass seine Aufgabe nicht ohne Risiken war, wusste der Dämon, doch was war schon eine weitere Gefahr im Antlitz der erhofften Freiheit?
Die Tür öffnete sich erneut und Jin Blick verfolgte die Gestalt des dunkelhaarigen Dämons, der mit schnellen Schritten die Kirche verließ, ehe er ich auf einer der Bänke niederließ.
Mephistopheles, du bist meine Freikarte aus diesem hässlichen Kreislauf - aus meiner fremdbestimmten Existenz. Du hast mich durch Länder und Städte gejagt, doch ich habe dich endlich gefunden. Mit Geschick und etwas Glück wirst du nie davon erfahren, dass ich jemals nach dir gesucht habe.

Einige Momente blieb Jin noch an seinem Platz neben der hohen Pinie stehen, den Blick auf den anderen Dämon gerichtet, welcher selbst ganz in Gedanken vertieft zu sein schien, ehe er sich schließlich einen Ruck gab und mit langen Schritten den Platz vor der Kirche überquerte, bis er an der Bank angekommen war. Aus der Nähe konnte er nun auch die lange Narbe erkennen, welche das Auge des Dämons zierte. Ein verhängnisvolles Souvenir aus Saint-Étiennes, wenn er sich nicht täuschte. Jin blieb vor der Bank stehen, eine Hand auf der Lehne abgestützt, ehe er den Dämon mit einem schiefen Lächeln auf Italienisch ansprach. Woher sollte ein Einheimischer auch wissen, dass der Dämon erst vor kurzem in diesem Land angekommen war?
„Un demone che cerca la guida di Dio? Che Ironia." Jin deutete mit dem Kinn in Richtung des Gotteshauses, welches Mephistopheles so eben verlassen hatte, ehe sich sein Blick wieder auf sein Gegenüber richtete.
Nur noch ein Auftrag, sagte sich Jin, die Erwartungsvollen Augen auf die des anderen Dämons gerichtet. Nur noch dieser eine Auftrag. Doch damit er gelingt, musst du geschickt sein. Halte dein ungeduldiges Herz im Zaum. 

Antworten Zuletzt bearbeitet am 08.05.2024 17:04.

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